babykaninchenEin Thema, das mir sehr am Herzen liegt. Denn die meisten Meerschweinchen und Kaninchen, die krank in meiner Praxis vorgestellt werden, sind krank aufgrund falscher Ernährung.
Zahnprobleme, Abszesse, Verdauungsstörungen, Stoffwechselerkrankungen, Harngries, Blasensteine u.v.m. können durch falsche Ernährung ausgelöst werden.

Die Nahrung von Meerschweinchen und Kaninchen muss vor allem drei Voraussetzungen erfüllen:

1) Die Nahrung muss Nährstoffe, Vitamine, Mineralstoffe in der richtigen Menge liefern

Zu wenig führt zu Mangelerscheinungen, zu viel führt zu Fettleibigkeit. Zu dicke Tiere neigen zu Stoffwechselstörungen, Gelenkproblemen aber auch zu  lebensbedrohlichen Verdauungsstörungen.
Zu viel von bestimmten Mineralstoffen führt zu Harngries oder gar Harnsteinen.

2) Die Nahrung muss dafür sorgen, dass die Zähne optimal abgenutzt und die Zahnwurzeln geschont werden

Meerschweinchen und Kaninchen leben ursprünglich in Gras- und Steppenlandschaften. Sie müssen sich also von Gräsern, Blättern und Kräutern ernähren, die wenig gehaltvoll sind. (Wer schon mal versucht hat, von grünem Salat dauerhaft satt zu werden, weiß was ich meine). Um trotzdem satt zu werden, müssen die Tiere sehr viel Blättriges zu sich nehmen. Sie kauen den ganzen Tag. Beim Kauen reiben die Zähne aneinander und wären durch dieses ständige Kauen eigentlich innerhalb kurzer Zeit bis auf kleine Stummel abgewetzt. Daher hat die Natur Kaninchen und Meerschweinchen mit dauerhaft nachwachsenden Zähnen ausgestattet. Die Schneide- und die Backenzähne von Meerschweinchen und Kaninchen wachsen lebenslang ca. 1cm pro Monat.
Die Zähne wachsen allerdings auch dann schnell, wenn es eigentlich gar nicht nötig wäre. Auch wenn ein Tier gar nicht  viel kauen muss, weil es Futter bekommt, das energiereicher als Grünes ist, wachsen die Zähne.
Bekommen Meerschweinchen und Kaninchen also Futtermittel, die schneller satt machen als das von der Natur vorgesehene Futter, kauen sie weniger und die Zähne werden zu lang. Eine verbreitete, aber falsche Meinung ist, dass man den Tieren etwas „Hartes“ wie trockenes Brot o.ä. anbieten müsse, um den Zahnabrieb zu fördern. Das ist nicht richtig, denn das Einzige, das so hart ist, dass es einen Zahn abreiben kann, ist ein anderer Zahn. Dieser Abrieb, Zahn auf Zahn, passiert beim ganz normalen Kauen.

 

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Kaninchen mit überlangen Zähnen

Das Gebiss von Kaninchen und Meerschweinchen ist eines der am besten spezialisierte Gebisse im Tierreich. Die Form der Zähne sowie der Aufbau von Zahn und Zahnwurzel ist hochspezialisiert auf das Zermahlen von weicher, frischer, blättriger Nahrung. Bekommen diese Tiere Futter, dessen Struktur nicht zu ihrem hochspezialisierten Gebiss passt, und das nicht mit den physiologischen Mahlbewegungen zerkleinert werden kann, dann werden Zähne und Zahnwurzeln falsch belastet, was wiederum zu schwerwiegenden Zahnproblemen führen kann.

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Meerschweinchen mit „Brückenbildung“ aufgrund von Zahnwurzelproblemen im Ober(!)kiefer

 

Falsche Fütterung ist daher die Ursache für die meisten Zahnprobleme bei Kaninchen und Meerschweinchen.

„Fehlstellungen“ sind fast nie angeboren sondern entstehen  durch zu schlechte Zahnabnutzung oder Fehlbelastungen.

3) Die Nahrung muss die Bakterien im Darm optimal ernähren und die Darmmotorik unterstützen

Säugetiere können die Inhaltsstoffe von Gras eigentlich gar nicht verwerten. Bei einer reinen Grünfütterung würden sie eigentlich verhungern, da Säugetiere keine   Zellulose, den Hauptenergieträger in Gras und Blättern, verdauen kann. Die pflanzenfressenden Säugetiere brauchen deshalb Hilfe für die Verdauung von Grünem.
Im Darmtrakt von Kaninchen und Meerschweinchen sorgen spezielle Bakterien für die Aufschlüsselung von Gräsern und Blättern in Stoffe, die die Tiere problemlos verwerten können. Diese Bakterienflora besteht idealerweise aus Bakterien, die auf die Verdauung von Grünem spezialisiert sind. Werden diese guten und wichtigen Bakterien falsch ernährt, sterben sie ab. In der Folge überwuchern schädliche Bakterien den Darm. Gerade zu viel Stärke, enthalten in Getreide, Haferflocken, Fertigfuttern, Erbsenflocken, Brot, Knabberstangen usw., schädigt die gute Bakterienflora massiv und kann zu lebensbedrohlichen Verdauungsstörungen führen.
Darüber hinaus braucht der Darm für eine gute Darmmotorik Rohfaser, enthalten in Gräsern, Kräutern und Heu.

Alles ganz schön kompliziert?!
Die Ernährung von Kaninchen und Meerschweinchen ist eine Wissenschaft für sich?
Ja und nein. Einerseits ist das Thema wirklich sehr komplex, andererseits ist die Lösung und damit die optimale Ernährung eigentlich ganz einfach, denn man muss nur wissen, auf welches Futter Zähne und Verdauungstrakt der Tiere optimal eingerichtet sind: Dieses Futter sind Gräser, Blätter und Kräuter!
Wenn man sich daran orientiert, kann man nichts falsch machen.

Gesundes Meerschweinchen- und Kaninchenfutter:

Im Sommer bekommen die Tiere frisches Gras und vielfältige Wiesenkräuter als Hauptfutter. Es sollte immer frisch und in unbegrenzter Menge zur Verfügung stehen. Getrocknetes Gras, also Heu, sollte zusätzlich angeboten werden, wird aber bei ausreichend vielfältiger Frischfütterung kaum gefressen. Gerne werden auch Blätter und Zweige von Obstbäumen, Haselnusssträuchern etc. gefressen und benagt.

Sommerfütterung: Wiese – Gräser, Kräuter, Blätter, Zweige

 

Im Winter ist es mit Wiesenfütterung schwierig, daher muss man auf grünes Blattgemüse ausweichen. Gefüttert werden können z.B. Bittersalate wie Endivie, Radicchio und Chicorée, Karottengrün, Kohlrabiblätter, Kräuter, Fenchelgrün, Zuckerhut, Feldsalat, Postelein, Brunnenkresse,  Selleriegrün, Mangold, Spinat, Chinakohl, Wirsing, Grünkohl, Urkohl, Weißkohl, Rotkohl…  Grünfutter sollte auch im Winter immer frisch, vielfältig und in unbegrenzter Menge zur Verfügung stehen. Dazu gibt es  Heu zur freien Verfügung.

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Winterfütterung: Kohl, Bittersalate, Kräuter, Nadelbaumäste

 

Kohl ist tatsächlich ein wunderbares Winterfutter, wilde Kaninchen ernähren sich oft  von Kohl, denn Kohl ist das Einzige, das im Winter bei Schnee noch auf den Feldern steht. Oxalathaltige Gemüse wie Spinat und Mangold sollten nur in einer vielfältigen Mischung und nicht in großen Mengen gefüttert werden.
„Normale“ Salate, wie Kopfsalat, Eisbergsalat etc. sind zu „weich“, sie sollten nur einen kleinen Teil der Winterernährung ausmachen.
Zurückhaltend sollten „normale“ Gemüse wie Karotten, Fenchel, Sellerie, Paprika, Gurke, Pastinaken, Kohlrabi, Brokkoli, rote Beete etc. gefüttert werden! All diese Gemüse machen zum einen deutlich schneller satt als Grünes, was für den Zahnabrieb nicht ideal ist, außerdem können „normale“ Gemüse von den Zähnen nicht zermahlen werden, sie müssen zerkaut werden. Bei übermäßiger Gabe führt „normales“ Gemüse daher zu Zahnproblemen. Außerdem ist in solchem Gemüse nahezu keine für den Darm lebensnotwendige strukturierte Rohfaser enthalten. Zu viel „normales“ Gemüse kann daher zu Verdauungsstörungen führen. In kleinen Mengen  sind solche Gemüse allerdings oft heiß begehrt und dürfen gefüttert werden. Obst hat die gleichen Nachteile wie „normales“ Gemüse und enthält zusätzlich auch noch viel Zucker, der die Bakterien im Darm schädigt.

Wenn Kaninchen und Meerschweinchen wie empfohlen  nahezu ausschließlich mit frischem Grün gefüttert werden, wird  über die Nahrung sehr viel Wasser aufgenommen: Das ist das Beste, um Harngries und Harnsteinen vorzubeugen. Tiere mit Harngries- oder Harnsteinproblemen sollten am besten keinerlei trockenes Futter – auch kein Heu – bekommen.

Zusammenfassend versteht sich von selbst, dass Trockenfutter, Getreide, Haferflocken, getrocknete Gemüsestücke, Brot, Knabberstangen, Leckerlis etc. schädlich sind!
Meiner Meinung nach ist es ein Skandal, dass Futtermittel für Meerschweinchen und Kaninchen mit der Bezeichnung „Alleinfutter“ und der Suggestion „gesund“ verkauft werden dürfen, obwohl sie so schädlich für die Tiere sind!

Wenn Sie die Ernährung Ihrer Tiere jetzt umstellen wollen, beachten Sie bitte unbedingt, dass jede Futterumstellung immer sehr langsam erfolgen muss!
Die Bakterienflora, auf die Kaninchen und Meerschweinchen angewiesen sind, muss sich erst auf neue Futtermittel einstellen und anpassen. Tiere, die wenig Gras und Grünes, dafür aber auch Fertigfutter oder Brot o.ä. bekommen, müssen bitte über mindestens vier Wochen „entwöhnt“ werden. Die Menge an schlechtem Futter langsam vermindern, die Menge an Grünem ganz langsam erhöhen. Langsam muss auch Kohl in den Speiseplan eigeführt werden. Ist eine Umstellung auf diese Weise erfolgt, und eine gesunde Darmflora entstanden, dann vertragen Kaninchen und Meerschweinchen Gras, Wiese, Grünes und auch Kohl in unbegrenzter Menge.

Das war ein ganz kurzer Abriss über die wichtigsten Punkte eines Themas, das ganze Bücher füllt.
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an uns, wir helfen gerne weiter.